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Digitales Erbe: Was passiert im Todesfall mit  Social Media Accounts?

Fotos, Posts und persönliche Nachrichten: Fast jeder von uns ist auf Social Media-Plattformen aktiv und hinterlässt dort jede Menge persönlicher Daten. Doch was passiert eigentlich im Todesfall mit diesem Nachlass? Gibt es so etwas wie ein digitales Erbe? Und wenn ja, welche Zugriffsrechte auf Nutzerkonten und Profile bekommt der Rechtsnachfolger? Über diese Fragen hat der Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung zum digitalen Nachlass geurteilt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Plattformanbieter wie Facebook müssen den Erben eines Account-Inhabers nach dessen Tod Zugang zu dessen Nutzer-Profil gewähren.
  • Der Anspruch auf Zugang zur Plattform ist vererblich.
  • Wer Daten in sozialen Netzwerken teilt, muss wissen, dass diese Daten möglicherweise nicht nur mit dem Account-Inhaber, sondern nach dem Tod auch mit dessen Erben geteilt werden.
  • In den Einstellungen vieler Plattformanbieter können Nutzer den digitalen Nachlass bereits zu Lebzeiten regeln und aktiv entscheiden, was nach dem Tod mit ihrem Profil geschehen soll.

In diesem Beitrag

Warum wird das Thema „Digitaler Nachlass“ so diskutiert?

Auslöser ist der Fall eines jungen Mädchens, das 2012 als 15-Jährige in einem Berliner U-Bahnhof ums Leben gekommen war. Die Eltern vermuteten einen Suizid und hofften, im Facebook-Profil ihrer Tochter Hinweise auf mögliche Beweggründe zu finden. Facebook hatte ihnen den vollständigen Zugang zum Account jedoch verweigert. Die Eltern klagten daraufhin. Der Fall ging bis vor den Bundesgerichtshof (BGH), welcher im Rahmen einer Grundsatzentscheidung 2018 bestimmte, dass Facebook den Eltern als Erben Zugang zum Facebook Profil der Tochter geben muss.

Der Anbieter stellte daraufhin auf einem USB-Stick ein 14.000 Seiten zählendes PDF-Dokument mit allen Profilinhalten zur Verfügung. Den Eltern reichte dies nicht, sie forderten wirklichen Zugang zum Profil ihrer Tochter und zogen erneut vor den BGH. In einem Beschluss vom 27.08.2020 (Az. III ZB30/20) gaben die Richter den Eltern schließlich recht. Die Erben haben Anspruch darauf, so die Entscheidung des BGH, sich auf gleiche Weise wie zuvor die Erblasserin im Nutzerprofil bewegen zu können. Mit einer Einschränkung: Die Eltern dürfen das Konto nicht aktiv nutzen.

Welche datenschutzrechtlichen Konflikte entstehen, wenn Erben Zugang zu einem Facebook-Profil bekommen?

Geschützt sind durch die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) personenbezogene Daten von lebenden natürlichen Personen. Die DS-GVO ist nicht auf personenbezogene Daten Verstorbener anzuwenden.

Problematisch sind jedoch die Nachrichteninhalte. Denn diese können auch Fotos, Mitteilungen und Videos der Kommunikationspartner des Verstorbenen beinhalten. Indem der Erbe Zugang auf die Plattform der verstorbenen Person erhält, besteht auch die Möglichkeit auf Kommunikationsinhalte zwischen Dritten zuzugreifen. Hier hat der BGH jedoch entschieden, dass die Zugangsgewährung zur Plattform zum einen zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten erforderlich ist und daher eine Zugangsgewährung nicht gegen die DS-GVO verstößt. Auch der Tod der ursprünglichen Kontoinhaberin ändert an diesem Umstand nichts, da nach dem Tod der Erbe Berechtigter wird. Zum anderen wird ein überwiegendes berechtigtes Interesse des Erben an der Zugangsgewährung angenommen. Denn diese können sich auf das grundrechtlich geschützte Erbrecht berufen. Mit dem Erbfall werden nicht nur Vermögenswerte sondern auch Verbindlichkeiten vererbt. Der Zugang zur Plattform ermöglicht im vorliegenden Fall Beweise zu finden, damit etwaige Ansprüche des U-Bahn Fahrers abgewehrt werden können.

Was passiert mit den Social Media-Accounts von Verstorbenen?

Das ist je nach Plattform und Provider unterschiedlich. Facebook versetzt Nutzerprofile von Verstorbenen in einen sogenannten Gedenkzustand. Erlauben es die vorherigen Einstellungen, können Freunde in der Chronik kondolieren und gemeinsame Erinnerungen teilen. Allerdings hat niemand Zugriff auf das Konto, eine Anmeldung ist nicht mehr möglich.

Gut zu wissen: Facebook-Nutzer haben über die Profil-Einstellungen jederzeit die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, was im Falle des Todes mit ihrem Konto passieren soll. Wer den Gedenkzustand nicht wünscht, kann für den Fall des eigenen Ablebens alternativ auch die komplette Löschung des Nutzerkontos verfügen oder einen Nachlasskontakt benennen. Dabei handelt es sich um eine Person, die das Konto dann im Namen des Verstorbenen verwalten soll.

Welche Regelungen gibt es bei Facebook zwischen Anbieter und Nutzer für den Todesfall?

Es gibt die erwähnten Einstellungsmöglichkeiten. Im Nutzungsvertrag selbst finden sich allerdings keine expliziten Regelungen für den Umgang mit Profil-Daten von Verstorbenen.

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Welche Rechte haben die Angehörigen?

Der BGH hat entschieden, dass die Erben als neue Berechtigte eines Empfängerkontos zu behandeln sind. Im Fall des Mädchens ging das Vertragsverhältnis mit Facebook daher auf die Eltern über. Facebook musste ihnen laut BGH- den rechtmäßigen Zugang zum Benutzerkonto der Tochter und zu allen darin enthaltenen digitalen Daten gewähren.

Ist Erben und Vererben digitaler Inhalte irgendwo gesetzlich geregelt?

Nein, dafür gibt es keine gesonderten Regelungen und Gesetze. Es gilt einfach das Erbrecht. Zwar hätte der Gesetzgeber spezielle Regelungen für den digitalen Nachlass von Verstorbenen treffen können, beispielsweise im Telemediengesetz (TMG), hat dies aber bewusst nicht getan. Zum einen, weil sich das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankerte Erbrecht problemlos auch auf das digitale Erbe anwenden lässt. Zum anderen höchst wahrscheinlich, weil die Dynamik der technologischen Entwicklung bei einer zu spezifischen Gesetzgebung ein regelmäßiges Aktualisieren und Nachjustieren erforderlich gemacht hätte.

Welche Rechte haben Plattformen wie Facebook an den personenbezogenen Daten ihrer Nutzer?

Auch das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es empfiehlt sich immer ein genauer Blick in die jeweiligen Nutzungsbedingungen. Bei kostenlosen Plattformen wie Facebook ist es in der Regel so, dass Verbraucher mit dem Anlegen eines Accounts die Nutzung ihrer personenbezogenen Daten zu Werbezwecken erlauben. Informationen wie Alter, Geschlecht, Wohnort und Interessen werden vom Anbieter gesammelt, ausgewertet und an Werbungtreibende weitergegeben, sodass diese ihre Werbebotschaften gezielt platzieren können.

Verstirbt der Nutzer eines Accounts, erlischt das Recht des Providers auf Datenverarbeitung zwar nicht automatisch. Faktisch spielt es aber keine Rolle mehr, da ein inaktives Konto – oder wie bei Facebook eines im Gedenkzustand keine aktuellen Datenauswertungen mehr ermöglicht.

Wie regeln andere Social Media-Plattform den Umgang mit Nutzer-Profilen von Verstorbenen?

Bei Instagram ist es ähnlich wie bei Facebook: Das Profil wird in einen Gedenkzustand versetzt, sofern der Nutzer zu Lebzeiten in den Einstellungen keinen Nachlasskontakt angegeben oder die Löschung seines Profils verfügt hat. Bei Twitter kann der Nutzer einen Nachlassbevollmächtigten benennen. Xing gibt Zugangsdaten an Erben weiter, nachdem diese sich durch Vorlage des Erbscheins und eines Ausweises legitimiert haben. Bei LinkedIn können Erben eine Löschung des Profils beantragen. Die Beispiele zeigen: Eine einheitliche und für alle Anbieter verbindliche Regelung gibt es nicht. Umso wichtiger ist es, dass Nutzer von Social Media-Plattformen ihr digitales Erbe aktiv regeln und in ihren Accounts bei Bedarf die gewünschten Einstellungen vornehmen.

Wie sieht es eigentlich mit dem Datenschutz bei Clubhouse aus? Wir arbeiten in diesem Beitrag heraus, wie eine datenschutzkonforme Clubhouse-Nutzung aussehen könnte.

Das Fazit?

Der Rechtsstreit um den Zugang zum Facebook-Profil des verstorbenen 15-jährigen Mädchens hat vielen noch mal ins Bewusstsein gebracht, dass im Todesfall auch Social Media-Konten zum Nachlass gehören und auf die Erben übergehen. Wer diese Kanäle nutzt, sollte sich darüber im Klaren sein und konsequent darüber nachdenken, welche Informationen er über diese Kanäle teilt und veröffentlicht. Darüber hinaus sollten sich Nutzer zu Lebzeiten fragen, was mit ihrem digitalen Erbe geschehen soll. Nur wer dies tut, kann auch die geeigneten Maßnahmen treffen.

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Über den Autor

Marijam Darakhshan Marijam Darakhshan
Marijam Darakhshan

Marijam Darakhshan ist Volljuristin und zertifizierte Datenschutzbeauftragte.  Nach ihrem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) hat sie ihr Referendariat am Oberlandesgericht in München mit Station in Houston/USA absolviert. Durch ihre langjährige Expertise als Rechtsanwältin/Beraterin im Datenschutzrecht und ihre fortlaufenden Weiterbildungen zu aktuellen datenschutzrechtlichen Themen sticht sie als Senior Privacy Consultant bei DataGuard besonders durch pragmatische Lösungen heraus, die ihre Kunden handlungs- und zukunftsfähig machen.

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